15. Dezember 2013

Weihnachten 1933 – Teil 2

(Auszug aus dem Roman "Der LeiterwagenXaverl")

Am Weihnachtsabend nach der Christmette haben sich Kathi Heindl, Toni, Nele und Franz im Dunkeln vor der Eingangstür zum Blaslhof versammelt. Toni flüstert Kathi ins Ohr:
»Wo ist denn der Pfarrer?«
»Der packt das nimmer, so weit zu Fuß.«
Sie nimmt den Rucksack vom Rücken und deutet auf den verborgenen Inhalt:
»Aber er hat mir ein Geschenk für den Xaverl mitgegeben. Und dann hab ich noch eine Überraschung.«
Nele platzt fast vor Neugier.
»Sag schon, was?«
Kathi schüttelt den Kopf:
»Sei nicht so neugierig, das erfährst du schon früh genug.«
Sie blickt in die Runde, gestikuliert die Laternen anzuzünden. Franz holt ein Streichholz aus der Schachtel, entzündet es an der Reibefläche, entflammt damit den Docht seiner Petroleumlaterne und reicht sie an Nele weiter. Als alle Laternen brennen, ermuntert Kathi die Runde ein Weihnachtslied anzustimmen:
»Und jetzt: eins, zwei, drei … Stille Nacht … Heilige Nacht…«
Die Anderen setzen mit ein und der Laternenzug mit der Pfarrköchin an der Spitze zieht singend durch die Haustür den Flur entlang. Kathi öffnet die Küchentür, alle betreten nacheinander singend den Raum:
»… holder Knabe in lockigem Haar …«
Xaverl sitzt im Rollstuhl am Küchentisch, lässt den Bleistift auf sein Manuskript sinken, grinst sie an und meint keck:
»Dass ich ein holder Knabe bin, habe ich schon gewusst, aber lockiges Haar …«, fasst sich in seine glatte Haarpracht, … »nein, das beileibe nicht!«
Xaverl bittet seine Liebsten, sich zu ihm an den Tisch zu setzen. Franz hat für Kathi Bockwürste und frisches Mischbrot für die Vesper in seinem Rucksack transportiert und entpackt diese zusammen mit einer Flasche Rotwein, ein Geschenk des Pfarrers für den Weihnachtspunsch. Kathi wärmt die Würste, während Nele den Tisch deckt. Xaverl pufft Franz leicht in die Seite, der dreht sich zu dem Jungen um und lächelt ihn an:
»I … ist was?«
Xaverl grinst frech zurück:
»Das frag ich dich. Und wie läuft’s mit Marie?«
Franz vergeht das Grinsen augenblicklich:
»Nix l … läuft!«
»Hast du ihr schon was geschenkt?«
Franz schüttelt betreten den Kopf, was Xaverl dazu bewegt ihm weitere Tipps zu geben:
»Frauen erwarten so was!«
Kathi hat das Gespräch mitbekommen, wuschelt im Vorbeigehen mit der Hand durch Xaverls Haare:
»Ach, woher willst du das wissen?«
»Aus Büchern!«
Nele, die von ihrem Bauern neben Würsten auch mal einen echten Liebesbeweis bekommen möchte, steht ihrem kleinen Bruder hilfreich zur Seite:
»Wo er recht hat, hat er recht! Franz merke dir: Frauen stehen auf Aufmerksamkeiten.«
Franz ist das Ganze furchtbar peinlich, steht vom Stuhl auf. Toni bemerkt Franz’ Fluchtabsichten, klopft daher dem Hünen beruhigend auf die Schulter:
»Der Franz macht das schon richtig.«
Franz lässt sich wieder auf dem Stuhl nieder, worauf Toni nun die geschwätzige Nele von Franz abzulenken versucht:
»Nele, sind die Würste schon warm?«
»Ich denk schon!«
Nele geht zum Herd, wird aber von Kathi weggedrängt.
»Schneid lieber das Brot!«
Nele zuckt mit den Achseln, schlendert zum Esstisch zurück und schneidet das Brot auf. Derweilen packt Kathi zwei Topflappen, umfasst den Topf an den Henkeln, trägt ihn zum Tisch und verteilt die dampfenden Würste.

Xaverl genießt das Mahl im Kreise seiner Familie und Freunde. Immer wieder kommt das Gespräch auf den, mit Nüssen, Äpfeln und geschnitzten Holzfiguren, geschmückten Christbaum, den alle bewundern. Nach dem Essen ist die Bescherung. Nacheinander überreichen sie Xaverl ihre Geschenke. Von Mal zu Mal leuchten seine Augen mehr: Nele gibt ihm eine Packung Bleistifte. Es ist zwar nicht viel, aber bei ihr weiß er, es kommt von Herzen. Toni überreicht ihm vorsichtig eine Marienfigur mit Jesuskind, die er selbst geschnitzt hat. Sie ist wunderschön, bis ins Detail kunstvoll bearbeitet. Von Franz bekommt er ein paar Pinsel, von Hochwürden Malblock und Wasserfarben. Für den Fall, dass es mit dem Schreiben mal nicht so gut geht, und er was anderes auf Papier bringen möchte. Xaverl findet es schade, dass Hochwürden nicht mitgekommen ist, kann dessen gesundheitliche Absage aber verstehen. Zum Schluss übergibt Kathi ihrem Ziehsohn ein in dunkelblaues Samttuch gehülltes, 20 mal 20 Zentimeter großes, viereckiges Paket. Xaverl öffnet die Verschnürung und zieht das Tuch weg. Es kommt ein Gemälde zum Vorschein, dass seine Mutter im Alter von 16 Jahren zeigt. Tränen der Rührung laufen ihm die Wangen hinunter. Er zieht die Tante zu sich runter, umarmt sie liebevoll und haucht ihr ein »Danke« ins Ohr.

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Einen herzlichen 3. Advent wünscht Euch

Alfred Franz Dworak
 

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